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Datenschutzvereinigung warnt vor “Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften”

Die Deutsche Vereinigung für Datenschutz e. V. (DVD) fordert den Deutschen Bundestag auf, dem Änderungsantrag von CDU/CSU und SPD zum Entwurf eines Gesetzes “zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes” nicht zuzustimmen (Deutscher Bundestag Ausschuss für Arbeit und Soziales v. 18.05.2017, Ausschussdrucksache 18(11)1031). Dieses sog. Omnibusgesetz hat nichts mit Bundesversorgung zu tun, sondern sieht u. a. folgende datenschutzrechtlichen Änderungen vor:

  • Schaffung einer umfassenden Befugnis zur Nutzung automatisierter Fingerabdruck-Scans von Asylsuchenden ohne irgendwelche Sicherungsmaßnahmen,
  • Änderung der Zuständigkeit für die Datenschutzaufsicht im Steuerbereich von den Ländern hin zum Bund,
  • Beschränkung des Auskunftsanspruchs der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Steuerverwaltung,
  • Änderung der Vorschriften zum Sozialdatenschutz, insbesondere im Sozialgesetzbuch (SGB) X.

Pressemitteilung als PDF-DateiBT 18/12041 (alte Fassung)Zusammenstellung der schriftl. StellungnahmenWortprotokoll (elektr. Fassg.) Ausschussdrucksache 18(11)1031

Diese und weitere grundlegende Änderungen beim Datenschutz wurden dem Bundestag von der Bundesregierung mit einer „Formulierungshilfe“ über die Regierungsfraktionen untergeschoben, ohne dass hierzu ein transparentes parlamentarisches Verfahren mit einer öffentlichen Diskussion stattfindet. Angebliches Ziel der Änderungen ist die Anpassung an die vom 25.05.2018 an direkt anwendbare Europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Tatsächlich verstoßen einige der geplanten Regelungen gegen Sinn und Wortlaut dieser DSGVO. So wird z. B. der Fingerabdruckscan für Asylsuchende umfassend eingeführt, ohne dass, wie in Art. 87 DSGVO gefordert, „geeignete Garantien für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen“ vorgesehen werden. Mit der Konzentration der Datenschutzkontrolle bei der Steuerverwaltung und der Einschränkung der Auskunftsansprüche werden die unliebsamen Landesdatenschutzaufsichtsbehörden in diesem Bereich nach Ansicht der DVD mundtot gemacht und es wird eine jahrelange europarechts- und verfassungswidrige Praxis der Auskunftsverweigerung legalisiert. So erlaubt z. B. der geplante § 32c Abgabenordnung den Finanzbehörden die Auskunftsverweigerung, wenn sie der Meinung sind, ihre nicht weiter spezifizierten  Geheimhaltungsinteressen würden überwiegen, explizit wird genannt die Verhinderung zivilrechtlicher Ansprüche – z. B. zwecks Schadenersatz – gegen diese Behörden. Mit den geplanten Änderungen zum Sozialdatenschutz werden Regelungsmonster geschaffen, die wohl für kaum eine Sachbearbeiterin oder einen Sachbearbeiter in einer Sozialbehörde, ja nicht einmal für die dort tätigen Justiziare, mehr verständlich sind.

Werner Hülsmann, stellvertretender DVD-Vorsitzender: „Im ‚Jahr Vier‘ nach Snowden ist für die deutsche Politik der Datenschutz anscheinend keinen Pfifferling mehr wert. Was hier im Schnelldurchgang durchgeboxt werden soll, straft jedes Lippenbekenntnis der Bundesregierung zum Datenschutz Lügen. Sollten die Regierungsfraktionen dem zustimmen, so verraten sie den digitalen Grundrechtsschutz und lassen sich zum Handlanger exekutiver Verarbeitungsträume degradieren.“

Thilo Weichert, Mitglied des DVD-Vorstands: „Die Bundesregierung nimmt sich im Datenschutz anscheinend den US-Präsidenten zum Vorbild, der auch ungeachtet rechtlicher Vorgaben und demokratischer Entscheidungsabläufe Grundrechte mit Füßen tritt. Der Unterschied zu Trump: Das Gesetz ist nicht populistisch, schon gar nicht populär, sondern extrem bürokratisch. Erst ein verfassungswidriges „Bundesdatenschutzgesetz“, das keine Daten schützt, jetzt eine Änderung des Bundesversorgungsgesetzes, das die Asyl- und die Steuerverwaltung mit Daten versorgt und zugleich Schutzstandards beiseiteschiebt. CDU/CSU und SPD zeugen von  einem äußerst sonderbaren (Un-)Verständnis bei der Digitalisierung unserer Gesellschaft, wenn sie dem zustimmen.“

Frank Spaeing, DVD-Vorsitzender: „Transparente Gesetzesentwicklung geht anders! Wie kann es sein, dass dieses Gesetz als Omnibusgesetz komplett an der interessierten Öffentlichkeit vorbei verhandelt und besprochen wird, ohne dass besagte Öffentlichkeit den Gesetzestext zumindest sehen und entsprechend würdigen  kann? Auf der Bundestagsseite jedenfalls war bis zum 30.05.2017 (außer der namensgebenden Änderung des Bundesversorgungsgesetzes) nicht viel von den anderen geplanten Gesetzesänderungen zu sehen. Nur wer es sich aus den Stellungnahmen und dem Wortprotokoll mühsam erschlossen hatte, konnte ungefähr erahnen, was in den geplanten Gesetzesänderungen wirklich drinsteht. Unabhängig von aller anderen gerechtfertigten Kritik dürfen die Bürgerinnen und Bürger vom Gesetzgeber doch hoffentlich wenigstens transparente Gesetzgebungsprozesse erwarten, oder?“