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Qualifizierte Kritik von Datenschützern am BMI-Entwurf für ein neues deutsches Datenschutzrecht

Mit Datum vom 23.11.2016 stellte das Bundesministerium des Innern (BMI) Verbänden einen Referentenentwurf für ein „Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz“ zur Stellungnahme zur Verfügung. Mit diesem Entwurf sollen die Europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die am 25.05.2018 europaweit direkt anwendbar sein wird, umgesetzt und zugleich das nationale Datenschutzrecht modernisiert werden. In ihrer Stellungnahme begrüßt die Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD) gemeinsam mit dem Netzwerk Datenschutzexpertise, dass ein solcher Gesetzentwurf vorgelegt wird und dass das bewährte Instrument der betrieblichen/behördlichen Datenschutzbeauftragten beibehalten wird, formuliert aber zu vielen konkreten Regelungsvorschlägen harsche Kritik.
Pressemitteilung als PDF-DateiGemeinsame StellungnahmeOffizielle Verbändeanhörung

Zu den Kritikpunkten gehören unter anderen:

  • Die bisher geringe Erhöhung der Ausstattung bei den Aufsichtsbehörden der Länder ist völlig ungenügend. Mittelfristig bedarf es in etwa einer Verdreifachung der Ressourcen, insbesondere des Personals.
  • Die geplante Regelung zur Videoüberwachung mit der besonderen Hervorhebung öffentlicher Sicherheitsbelange ist europarechts- und verfassungswidrig.
  • Die Regelung zur Bestellung der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) verstößt hinsichtlich der geforderten Transparenz und den personellen Anforderungen gegen die europarechtlichen Vorgaben.
  • Die eingeschränkten Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten der BfDI insbesondere im Sicherheitsbereich untergraben in diesen Bereichen die Effektivität der Datenschutzaufsicht.
  • Die Regelungen zur Vertretung der Aufsichtsbehörden der Länder im Europäischen Datenschutzausschuss beeinträchtigen deren Unabhängigkeit.
  • Die Einschränkung der Kontrollbefugnisse der Datenschutzaufsicht im Bereich der Berufsgeheimnisse ist inakzeptabel sowie europarechts- und verfassungswidrig.
  • Die Möglichkeiten zur Verweigerung von Auskünften an Betroffene sind zu unbestimmt und zu weitgehend.
  • Es verbleiben große Regelungsdefizite in Bezug auf die Datenverarbeitung in Beschäftigungsverhältnissen und in der Forschung, in Bezug auf die
    Beauftragung von IT-Dienstleistern sowie in Bezug auf die Angebote von Herstellern und Anbietern von IT-Produkten.

Werner Hülsmann, stellv. Vorsitzender der DVD: „Es ist erschreckend, mit welcher Ignoranz das Bundesinnenministerium die europäischen Vorgaben zum Datenschutz in Teilen umsetzen möchte. Damit betätigt sich das Ministerium als Bremser. Es verabschiedet sich so von der früheren Funktion Deutschlands, den Datenschutz global und in Europa fortzuentwickeln.“

Thilo Weichert, Mitglied des DVD-Vorstands: „Der Entwurf ist nicht nur politisch nicht akzeptabel, sondern auch ein teilweise klarer Verstoß gegen europäisches Recht und gegen die deutsche Verfassung. Es wäre ein einmaliger Vorgang, wenn das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof nicht nur spezifische, sondern grundlegende Regelungen beim Datenschutz aufheben müssten.“

Frank Spaeing, Vorsitzender der DVD: „Dieser Entwurf ist wirtschafts-, fortschritts- und betroffenenfeindlich. Wir hoffen, dass die Kritik der Verbände und der anderen Ministerien dazu führt, dass die bestehenden Defizite behoben werden.“