Das Bundesministerium des Innern (BMI) hat einen zweiten Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vorgelegt, den die Deutsche Vereinigung für Datenschutz e. V. (DVD) exklusiv veröffentlicht. Die DVD hält auch diesen Entwurf für massiv verbesserungsbedürftig. Ein erster Entwurf vom September war umgehend zurückgezogen worden, nachdem er von fast allen Seiten heftig kritisiert worden war.
[Update] Am heutigen 23.11.2016 ist die aktuelle Version des Entwurfs mit Datum vom 23.11.2016 vom BMI in die Verbändeanhörung gegeben worden. Unsere gestern veröffentliche Pressemitteilung ist nach wie vor gültig, da es in der aktuellen Version nur im § 24 BDSG-neu (Beschäftigtendatensschutz) sowie in den Begründungen zu den §§ 24 und 25 BDSG-neu Änderungen gegenüber der Version vom 11.11.2016 gab. [/Update]
Pressemitteilung als PDF-Datei – 2. Referentenentwurf des Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU (Stand 11.11.2016) – Offizielle Version zur Verbändeanhörung des 2. Referentenentwurfs des Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU (Stand 23.11.2016)
Nach Ansicht der DVD ist der jetzt vorgelegte Entwurf gesetzestechnisch besser gelungen. Dies gilt für die in Deutschland traditionell bestehende Aufteilung zwischen Datenschutz im öffentlichen und im nicht-öffentlichen Bereich, für die Systematik sowie für die Bezugnahmen auf die DSGVO.
Doch enthält der Entwurf nach der Ansicht der DVD alte und teilweise auch neue europarechts- und verfassungswidrige inakzeptable Regelungen. Dies gilt für die
Beschränkung der Kontrollbefugnis der Datenschutzaufsichtsbehörden auf technische Aspekte bei Berufsgeheimnisträgern wie z. B. Ärzten, Psychologen und Anwälten. Dringend nötige Regelungen zum Schutz der Berufsgeheimnisse unterbleiben dagegen. Die Einschränkungen des Auskunftsanspruchs der Betroffenen – der „Magna Charta des Datenschutzes“ – mit Argumenten der Sicherheit sowie des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen verletzt das verfassungsmäßige Grundrecht auf Datenschutz.
Bei den materiellen Regelungen versucht das BMI eine vom Bundesgesetzgeber noch gar nicht verabschiedete Vorschrift zur Videoüberwachung nach Wirksamwerden der DSGVO fortzuschreiben, mit welcher Sicherheitsbelangen der Vorrang vor dem Datenschutz eingeräumt wird und für die der nationale Gesetzgeber überhaupt keine Regelungsbefugnis hat.
Nicht akzeptabel sind für die DVD insbesondere auch die Beschränkungen der Prüf- und Berichtsbefugnis der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) im Geheimdienstbereich und die Beschränkung der Sanktionsmöglichkeiten der BfDI in den Bereichen Polizei und Justiz. Parallel dazu wird der BfDI die Vertretungsbefugnis Deutschlands im Europäischen Datenschutzausschuss (EDSA) auch für den nicht-öffentlichen Bereich eingeräumt, obwohl sie bisher nur im Bereich der Post- und Telekommunikationsunternehmen Prüfkompetenz und Erfahrungen hat. Die Unabhängigkeit der Landesdatenschutzbeauftragten wird durch Verfahrensregeln beeinträchtigt, wie z.B. zu der Bestellungsbefugnis der Stellvertreterfunktion im EDSA durch den Bundesrat.
Frank Spaeing, Vorsitzender der DVD, kritisiert: „Der Entwurf ist eher ein Datenschutzverhinderungsgesetz. Das Bundesjustiz- und Verbraucherministerium, das Bundeswirtschafts- sowie das Bundesforschungsministerium müssen unbedingt umgehend intervenieren, da die Zeit für eine rationale Gesetzgebung in dieser Legislaturperiode ausläuft und grundlegende verfassungsrechtliche Notwendigkeiten sowie die Belange von Wirtschaftsunternehmen, Verbrauchern und Forschung ignoriert werden.“
Thilo Weichert, Vorstandsmitglied der DVD, ergänzt: „Die Einschränkung der Datenschutzkontrolle im ärztlichen Bereich, die bisher ein Schwerpunkt der Aufsichtsbehörden ist, ist schlichtweg eine Katastrophe. Es ist kaum zu glauben, dass in Deutschland Standeslobby beim BMI derart viel Gehör findet. Der aktuelle IT-Gipfel hat in erschreckender Weise zu erkennen gegeben, dass Datenschutz bei der Bundesregierung derzeit nicht als relevant wahrgenommen wird. Der aktuelle BMI-Entwurf ist ein weiterer Beleg hierfür.“