Vorratsdatenspeicherung: Bürgerrechtler und Netzaktivisten verurteilen Bundestagsbeschluss scharf
Zahlreiche Bürgerrechtler und Netzaktivisten demonstrierten heute vor dem Bundestag gegen die Verabschiedung der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung. Mit scharfen Worten verurteilten sie den Beschluss des Bundestages, nach dem Telekommunikationsanbieter gezwungen werden, Verbindungsdaten ihrer Kunden
auf Vorrat zu speichern.
Gemeinsame Pressemitteilung als PDF-Datei – Link zum Appell und Hintergrundinformationen – Link zur Beteiligung an der Verfassungsbeschwerde – Link zum Artikel in der SZ
Katharina Nocun von Campact kommentiert: „Vorratsdatenspeicherung schränkt die Versammlungsfreiheit im Netz und auf der Straße ein, denn die Überwachungsmöglichkeit wirkt abschreckend auf politische Beteiligung. Unsere Internetanbieter werden die IP-Adressen aller Bürger auf Vorrat speichern müssen. Damit können auch politische Meinungsäußerungen überwacht werden. Und mit der Speicherpflicht für Standortdaten für einen Monat kann erfasst werden, wer mit seinem Handy in der Tasche an Demonstrationen teilgenommen hat.“
Angesichts der heute bekannt gewordenen Tatsache, dass bei den SMS nicht nur die Verkehrsdaten, sondern auch die Inhalte der SMS gespeichert werden (siehe Link zum Artikel in der SZ), erklärt der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Vereinigung für Datenschutz: „Die Vorratsdatenspeicherung ist noch schlimmer, als wir dachten. Es kann doch nicht sein, dass mit der Vorratsdatenspeicherung die Provider die Inhalte aller SMS für 10 Wochen speichern!“
„Unsere Freiheitsrechte sind der größte Sicherheitsgarant, den wir haben. Freiheit zu beschneiden und einen Überwachungsapparat zu errichten, um vermeintliche Sicherheit zu erlangen, ist nicht nur widersinnig, sondern brandgefährlich.“ ergänzt Leena Simon von Digitalcourage und kündigt an: „Deshalb reichen wir in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde ein und sammeln dafür Unterstützerinnen und Unterstützer.“
„Mit der anlasslosen Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten wird eine rote Linie überschritten. Ohne dass der Nutzen für die Strafverfolgung nachweisbar ist, unterwirft die Große Koalition damit 80 Millionen Menschen einem Generalverdacht und setzt ihre Daten einem enormen Missbrauchsrisiko aus. Das können und wollen wir nicht akzeptieren und werden uns weiterhin mit allen technischen, politischen und rechtlichen Mitteln dagegen zur Wehr setzen.“, erklärt Volker Tripp, politischer Referent des Vereins Digitale Gesellschaft.
„Die Vorratsdatenspeicherung gefährdet auch die Pressefreiheit,“ erklärt Kai-Uwe Steffens vom AK Vorrat. „Whistleblower, die Missstände in ihren Unternehmen oder Organisationen an die Öffentlichkeit bringen wollen, müssen durch die Vorratsdatenspeicherung befürchten, dass ihre Kontaktaufnahme zu investigativen
Journalisten entdeckt wird.”
Bei der Protestaktion wurden die Unterschriften von über 116 000 Menschen unter einen gemeinsamen Appell gegen Vorratsdatenspeicherung an den SPD-Bundestagsabgeordneten Marco Bülow übergeben. Die Botschaft der Protestaktion „Nein zum Gläsernen Bürger! Keine Vorratsdaten!”
Zu der Aktion hatte ein breites Bündnis von Organisationen aufgerufen, darunter Campact, Deutsche Vereinigung für Datenschutz, Digitalcourage, Digitale Gesellschaft und AK Vorrat.