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Der Zweck heiligt nicht jedes Mittel – Bundesverfassungsgericht entschärft TK-Überwachung

Das Bundesverfassungsgericht hat heute, am 19. März 2008, per einstweiliger Anordnung das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung teilweise gestoppt. Die Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD) erklärt dazu:
Mit der einstweiligen Anordnung hat das Verfassungsgericht den datenhungrigen Staat erneut in seine Schranken verwiesen. Zwar dürfen die Telekommunikationsdaten zunächst weiter gespeichert werden. Die Weitergabe der gespeicherten Daten an staatliche Stellen ist jedoch ab sofort nur noch bei besonders schweren Straftaten möglich.
Pressemitteilung als PDF-Datei

Die allgemeine Überwachung des Telekommunikationsverhaltens von 82 Millionen Menschen in Deutschland ist damit zunächst eingeschränkt worden. Die Deutsche Vereinigung für Datenschutz begrüßt diese Entscheidung aus Karlsruhe. Die acht Richter haben klar zu erkennen gegeben, dass sie die Sorgen der mehr als 30.000 Beschwerdeführer als berechtigt ansehen. „Gesetze werden nur in ganz seltenen Ausnahmefällen vom Bundesverfassungsgericht vorläufig außer Kraft gesetzt“, erläutert Sören Jungjohann, Mitglied im Vorstand der DVD. „Dies gilt insbesondere dann, wenn es wie hier mittelbar auch um eine Richtlinie der Europäischen Union geht. Vor diesem Hintergrund ist bereits die teilweise Suspendierung der Vorratsdatenspeicherung ein beachtlicher Erfolg für die Bürgerrechte.“

Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung aber auch die Weichen für das endgültige Urteil über die Vorratsdatenspeicherung gestellt. Die DVD geht davon aus, dass das Gesetz über die Vorratsdatenspeicherung schon bald als verfassungswidrig aufgehoben werden wird. Denn schon einmal, im Jahr 1983, hat das Bundesverfassungsgericht ein verfassungswidriges Gesetz zunächst durch einstweilige Anordnung aufgehalten und einige Monate später für nichtig erklärt. Die damalige Entscheidung ging als „Volkszählungsurteil“ in die Geschichte der Grundrechte ein. Das für 2008 erwartete „Vorratsdatenurteil“ könnte ein vergleichbarer Meilenstein des Datenschutzes werden.

Hintergrund:
Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen das „Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG“, das am 1. Januar 2008 in Kraft trat. Das Gesetz verpflichtet Telekommunikations- und Internetprovider, die Telefon-, E-Mail- und Internetdaten aller Menschen in Deutschland für sechs Monate zu speichern. Zugriff auf diese Daten haben diverse Sicherheitsbehörden.

Die Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD) nimmt seit mehr als dreißig Jahren die Interessen der verdateten Bürger und Bürgerinnen wahr. Sie sieht die Vorratsdatenspeicherung als einen weiteren Schritt auf dem Weg zum Präventionsstaat, den es zu verhindern gilt.