Mit einem Urteil vom 27.07.2005 hat das Bundesverfassungsgericht die 2003 in das Niedersächsische Gefahrenabwehrgesetz aufgenommene Befugnis zur Überwachung der Telekommunikation zwecks Gefahrenabwehr und zwecks Vorsorge für die künftige Strafverfolgung für nichtig erklärt.
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Dazu erklärt Sönke Hilbrans, Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Datenschutz:
Das Urteil ist uneingeschränkt zu begrüßen. Es setzt die Linie der Entscheidungen vom 3. März 2004 fort, mit denen das Gericht den sogenannten „Großen Lauschangriff“ an strenge verfassungsrechtliche Vorgaben gebunden und die Abhörbefugnisse des Zollkriminalamts an strengen Bestimmtheitsanforderungen gemessen hat. Auch der niedersächsische Gesetzgeber hat in dem Eifer, der Polizei neue Befugnisse zu geben, tragende Verfassungsprinzipien wie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Gebot klarer und in ihrer Anwendung vorhersehbarer Gesetze übergangen.
Es sollte zu denken geben, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit der jüngsten Entscheidung erheblich kürzer fassen konnte als noch im März 2004, da sich in seiner Rechtsprechung inzwischen ein klarer Katalog an Bedingungen für staatliche Überwachungsmaßnahmen herauskristallisiert hat. Es ist jetzt an den Gesetzgebern nicht nur in Niedersachsen, sondern auch in anderen Bundesländern und im Bund, eine Trendwende in der Gesetzgebung zu vollziehen und anzuerkennen, dass Grundrechtsschutz etwas anderes ist als die permanente Aufrüstung von Polizei und Nachrichtendiensten mit neuen oder weitergehenden Eingriffsbefugnissen.
Das Bundesverfassungsgericht gibt in seiner Entscheidung zugleich dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz Recht, dem zuletzt für seine offensiv grundrechtsfreundlichen Positionen von dem Bundesminister des Innern vorgeworfen wurde, dass er seine Kompetenzen überschreiten würde.