Die Landesregierung von Rheinland- Pfalz wurde am 24.10.2003 für den aktuellen Gesetzentwurf zur Erweiterung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes mit dem Negativpreis Big Brother Award ausgezeichnet. Das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren wird fortgesetzt. Zu dem Gesetzesentwurf der Landesregierung erklärt Sönke Hilbrans für den Vorstand der Deutschen Vereinigung für Datenschutz:
„Der Gesetzentwurf der Landesregierung von Rheinland- Pfalz gibt vor, im Polizeirecht die aktuellen Bedürfnisse des Datenschutzes berücksichtigen zu wollen. Tatsächlich aber erweitert der Entwurf vor allem die Lausch-, Späh- und Abhörbefugnisse der Polizei gegen Unverdächtige.
Pressemitteilung als PDF-Datei – Link zum BigBrotherAward
Ein kriminalistisches Bedürfnis nach einem derartigen „Terrorismusbekämpfungsgesetz“ auf Landesebene hat die Landesregierung in Rheinland- Pfalz nicht dargelegt. Stattdessen verlagert das Gesetz im Wesentlichen die Bekämpfung von Straftaten von der Justiz auf die Polizei und entzieht sie damit der Kontrolle der Staatsanwaltschaften.
Die Bundesrepublik nimmt bereits heute einen internationalen Spitzenplatz bei der Überwachung der Telekommunikation ein und mutet ihren BürgerInnen in diesem Bereich weiterhin zweistellige Zuwachsraten zu. Vor diesem Hintergrund ist die leichtfertige Erweiterung von Überwachungsbefugnissen ein schwerer Rückschlag für den Datenschutz und eine Gefahr für die Kommunikation in einer demokratischen Gesellschaft.
Aus den erschreckenden Ergebnissen der wissenschaftlichen Studien des Max- Planck- Instituts in Freiburg und der Universität Bielefeld werden keine Konsequenzen gezogen: die richterliche Kontrolle heimlicher Ermittlungen wird nicht verbessert, sondern auch nach dem Gesetzentwurf auf dem bekannt niedrigen Niveau verbleiben.
Der Gesetzentwurf fördert auch im Übrigen nicht den Datenschutz bei der Polizei: weiterhin bleibt es bei der bis zu fünfzehnjährigen Wartezeit für die regelmässige Prüfung der Speicherung personenbezogener Daten. Der Auskunftsanspruch nach heimlicher Überwachung bleibt ebenso hinter der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zurück wie die Regelung der Rasterfahndung. Sensible Problemlagen – wie etwa der Schutz der Kommunikation mit Abgeordneten, Geistlichen, JournalistInnen, RechtsanwältInnen usw. – werden in komplizierten Regelungen erstickt, statt konsequent bürgerfreundlich gelöst zu werden.
Eine wissenschaftliche Begleitung oder Befristung der neuen Befugnisse sieht der Entwurf nicht vor. Er fällt insgesamt, entgegen dem Wunsch der Landesregierung, weder maßvoll noch klar aus.
Der Datenschutz würde ohne das neue Gesetz besser dastehen als mit ihm.“