Ende Juli veröffentlichten die Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD) und die befreundete österreichische Datenschutzorganisation ARGE DATEN eine Presseerklärung zum Verfahren der Bestellung der oder des Europäischen Datenschutzbeauftragten. Darin kritisierten sie u.a. die Nominierung der österreichischen Dr. Waltraud Kotschy, Geschäftsführerin der Datenschutzkommission und Beamtin des österrreichischen Bundeskanzleramtes auf Platz 2 durch den Innen- und Rchtsausschuss des Europäischen Parlaments. Frau Kotschy klagte nun gegen die ARGE DATEN wegen „übler Nachrede“ und verpflichtete die ARGE DATEN über einen Beschluss des Landesgerichts Wien zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung. Über die Anklage wegen „übler Nachrede“ entscheidet das Gericht nach einer Verhandlung am 13. November 2003.
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ARGE DATEN und DVD kritisierten in ihrer Erklärung, dass KandidatInnen mit internationalem Ansehen als DatenschutzexpertInnen erst hinter Frau Kotschy eingestuft wurden und befürchteten, „dass nicht die Qualität, sondern Proporz-Überlegungen das vorrangige Auswahlkriterium sein könnten“. Frau Kotschy werde „für die weitgehend beklagenswerte Situation des Datenschutzes in Österreich mit verantwortlich gemacht. Ihr Ziel sei es, so lassen die Berichte aus Österreich erkennen, weniger die Grundrechte vor übermäßiger Überwachung zu schützen, als die dortige Regierung vor zu großer öffentlicher Kritik an staatlicher Überwachung“.
Zu der Klage von Frau Kotschy gegen die ARGE DATEN erklärt nun das Vorstandsmitglied der DVD Karin Schuler: „Ziel der gemeinsamen Presseerklärung war es nie, die Person Frau Kotschy zu beleidigen oder herabzustufen. Derartiges ist auch nicht erfolgt. Vielmehr geht es ausschließlich um die Frage der bestmöglichen Besetzung des Postens der bzw. des Europäischen Datenschutzbeauftragten. Insofern können wir Frau Kotschy für die Klage in einem gewissen Sinn dankbar sein: diese Frage wird so thematisiert und muss öffentlich debattiert werden. Fakt ist, dass Frau Kotschy in Österreich als weisungsgebundenes Verwaltungsorgan des Bundeskanzlers in Sachen Datenschutz tätig ist und zugleich als unabhängiges Kontrollorgan tätig sein sollte. Wegen der Unvereinbarkeit dieser beiden Positionen und der dadurch stattfindenden Verletzung der Europäischen Datenschutzrichtlinie hat die ARGE DATEN am 20.10.2003 eine Beschwerde an die Europäische Kommission gerichtet. Diese Beschwerde wird von der DVD unterstützt.
Frau Kotschy versucht ihre Qualifikation als Kandidatin für den Posten der Europäischen Datenschutzbeauftragten ausschließlich mit Funktionen zu begründen, die sie bisher innehatte: geschäftsführendes Mitglied der Datenschutzkommission, Mitgliedschaft im österreichischen Datenschutzrat, Leitung der Abteilung des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, die für Rechtsfragen der Verwaltungsreform und der Informationstechnologie zuständig ist, Datenschutzbeauftragte des Europarates. Damit verkennt Frau Kotschy, dass es für eine herausgehobene Position zum Grundrechtsschutz in der EU nicht nur hoher Ämter, sondern eines grundrechtsorientierten inhaltlichen Profils bedarf. Schon ihre Klage disqualifiziert Frau Kotschy: eine öffentliche Datenschutzbeauftragter – in Österreich wie in Europa – steht in der politischen Auseinandersetzung und muss sich öffentlicher Kritik aussetzen. In ihrer Klageerhebung hat Frau Kotschy nicht erkennen lassen, mit welchen positiven Datenschutz-Positionen sie sich bisher profiliert hätte, mit welchen sie als Europäische Datenschutzbeauftragte wirken würde.
Leider fällt auch das Ergebnis einer Recherche über ihre bisherigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen mager aus. So bleibt nichts anderes, als sie an ihrer bisherigen behördlichen Tätigkeit zu messen. Aus Sicht von DVD wie ARGE DATEN ist das Wirken von Frau Kotschy wenig grundrechtsfördernd gewesen. Sie selbst mag dies anders beurteilen. Wohl aber muss es Bürgerrechtsorganisationen möglich sein, eine hohe Funktionsträgerin wegen ihrer staatlichen Tätigkeit zu kritisieren, ohne wegen „übler Nachrede“ belangt zu werden. Insofern muss die Klage von Frau Kotschy als ein Einschüchterungsversuch verstanden werden, der sich gegen unabhängige Bürgerrechtsorganisationen wendet. Es ist zu hoffen, dass sich die österreichische Justiz insofern nicht zum Instrument der Zensur in einer europäischen politischen Auseinandersetzung machen lässt.“