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DVD-PM: DVD zu Registerveröffentlichungen: Justiz kann nicht „Digital“

Über die Webseite handelsregister.de können seit mehreren Jahren Registerveröffentlichungen weltweit ohne Einschränkungen abgerufen werden. Im Juni 2024 erstritt sich das DVD-Vorstandsmitglied Dr. Thilo Weichert vor dem Bundesgerichtshof (BGH) das Recht, dass seine Daten nach nunmehr 20 Jahren nur noch beschränkt einsehbar sind. Geschehen ist nichts. Weichert: „Wenn das ‚digital only‘ der Regierung so aussieht, dass einfach alles ins Netz gestellt wird, ohne Rücksicht auf Verluste, dann geht dies für die Bürger nicht gut aus.“
Pressemitteilung als PDF-Datei

Die Webseite www.handelregister.de

Seit August 2022 ist das Registerportal www.handelregister.de online. Über diese Webseite können die Informationen des Vereins-, des Handels-, der Genossenschafts- und des Partnerschaftsregisters weltweit über das Internet ohne jegliche Einschränkungen abgerufen werden. Ein Rechtsgutachten des DVD-Vorstandsmitglieds Thilo Weichert vom Dezember 2022 kommt zu dem Ergebnis, dass die voraussetzungslose Veröffentlichung von Daten z. B. aller Vereinsvorstände zu allen Zeiten einschließlich sensibler Identitätsdaten (z. B.
Geburtsdatum, Wohnadresse) verfassungs- und europarechtlich äußerst fragwürdig ist.

Die Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD) startete zeitgleich eine öffentliche Kampagne zu diesen Datenschutzbeeinträchtigungen und empfahl Betroffenen, sich gegen die Internetveröffentlichung ihrer Daten zur Wehr zu setzen.

Der Rechtsweg

Zur Wehr setzte sich auch Thilo Weichert selbst, der von 1993 bis 2004 Vorsitzender der DVD war und dessen Daten deshalb über www.handelsregister.de weltweit abrufbar waren (und weiterhin sind). Er forderte das Amtsgericht Bonn sowie die Justizverwaltung Nordrhein-Westfalen als datenschutzrechtlich Verantwortliche im Januar 2023 auf, die weltweite Veröffentlichung seiner Daten zu beenden (vgl. DANA 1/2023, 28 ff.). Dies wurde vom Amtsgericht Bonn abgelehnt, ebenso wie im Beschwerdeverfahren durch das Oberlandesgericht (OLG) Köln (Beschluss v. 03.05.2023 – Az. 2 Wx 56/23).
Daraufhin erhob Weichert Beschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Am 04.06.2024 gab der BGH Weichert im Wesentlichen Recht (Az. II ZB 10/23): Der BGH stellte fest, dass die seit 20 Jahren nicht mehr relevanten Daten zwar nicht gelöscht werden müssen, dass sie aber von der Justizverwaltung im Fall eines Widerspruchs des Betroffenen, wie hier, nur noch übermittelt werden dürfen, wenn ein Interessent an diesen Daten ein „berechtigtes Interesse“ glaubhaft macht. D. h. die Daten über die alte DVD-Vorstandstätigkeit müssten aus dem Internet verschwinden.

Die (fehlende) Umsetzung des Urteils

Weichert überprüfte regelmäßig, ob die Justizverwaltung der höchstrichterlichen Anordnung nachkommt. Nachdem dies selbst nach 8 Monaten immer noch nicht der Fall war, beschwerte er sich beim zuständigen Amtsgericht Bonn und erhielt daraufhin von dort folgende Erklärung für dessen Untätigkeit: „Zu Beginn wird Ihnen mitgeteilt, dass die Vereinsakte nebst dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 04.06.2024 dem Registergericht Bonn erst am 18.10.2024 nach Erledigung vom Oberlandesgericht Köln zurückgeschickt wurde. Das Registergericht hat erst zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von dem Beschluss des BGH vom 04.06.2024 erlangt, weshalb ein früheres Tätigwerden seitens des Registergerichts folglich nicht möglich war. Da die Unterzeichnerin ebenfalls an einer zügigen Umsetzung des Beschlusses vom BGH interessiert war, wurde der Sachverhalt am 22.10.2024 der Verfahrenspflegestelle für RegisSTAR (unsere IT-Anwendung) zwecks weiterer Veranlassung mitgeteilt. Dem Registergericht fehlen die technischen Möglichkeiten und Voraussetzungen, um den Beschluss des BGH technisch (im Registerportal der Länder) umzusetzen, weshalb die Verfahrenspflegestelle von hiesiger Seite aus mit der technischen Umsetzung beauftragt wurde.“ Regelmäßige Mahnungen von Seiten des Amtsgerichts hätten „keine Erkenntnisse zum dortigen aktuellen Verfahrensstand“ gebracht.

Der Kommentar

Hierzu kommentiert Thilo Weichert: „Wozu von der Justiz Rechtsschutz zu fordern, wenn diese sich selbst nach acht Monaten als unfähig erweist, den höchstrichterlichen Ansprüchen eines Betroffenen zu entsprechen. Das Registerportal ‚handelsregister.de‘ ist dilettantisch geregelt und ist weiterhin europarechts- und verfassungswidrig. Hierzu laufen weitere Gerichtsverfahren. Dass aber die Justiz nicht in der Lage ist, ihre eigenen rechtlichen Vorgaben technisch umzusetzen, d. h. hier ein einziges Dokument aus dem Netz zu nehmen, macht sprachlos. Wenn das ‚digital only‘ der Regierung so aussieht, dass einfach alles ins Netz gestellt wird, ohne Rücksicht auf Verluste, dann geht dies für die Bürger nicht gut aus. Es ist der Staat, der transparent sein sollte, tatsächlich sind es die Bürger, die vor aller Welt transparent gemacht werden. Die veröffentlichten Daten sind letztlich eine Einladung an Kriminelle zum Identitätsdiebstahl.“

Das Material

Das Gutachten von Thilo Weichert vom 12.12.2022 ist abrufbar unter
https://www.netzwerk-datenschutzexpertise.de/sites/default/files/gut_2022_12_registerveroeffentlichung.pdf

Die DVD-Presseerklärung vom 15.12.2022 zur Register-Kampagne finden Sie hier:
https://www.datenschutzverein.de/2022/12/datenschuetzer-registerkorrekturen-muessen-umgehend-erfolgen/

Die Entscheidung des OLG Köln vom 03.05.2023 finden Sie hier:
https://nrwe.justiz.nrw.de/olgs/koeln/j2023/2_Wx_56_23_Beschluss_20230503.html

Die BGH-Entscheidung vom 04.06.2024 ist abrufbar unter
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=139015&pos=0&anz=1